BerufssoldatInnen und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Europäischen Union

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ANMERKUNG: Dies ist das Vorwort zu einem 60-Seiten-Bericht, der von Tobias Pflüger MdEP in Zusammenarbeit mit der WRI herausgegeben wurde, und der hier als PDF (Haupttext nur auf Englisch; 4.5Mb) erhältlich ist. HTML-Versionen der individuellen englischsprachigen Länderberichte werden mit dem Upgrade der Internetseite der WRI erhältlich sein.

Vorwort

Die Militärs der Europäischen Union professionalisieren sich, daran gibt es keinen Zweifel. Mehr und mehr Länder schaffen die Wehrpflicht ab oder setzen diese aus – im nächsten Jahr Polen, und danach Schweden. Damit redu­ziert sich die Anzahl der Länder in der EU, die an der Wehrpflicht festhalten, auf acht (neun, wenn die Kandi­datenländer mitgezählt werden). Und auch die Länder, die an der Wehrpflicht festhalten, reduzieren mehr und mehr den Militärdienst, und erhöhen den Anteil der Berufs­soldat/innen: in Österreich, Finnland und Griechenland sind es fast 50%, in Estland 60%, und in Deutschland mehr als 75%. De facto spielen damit in den meisten Wehrpflichtarmeen der EU die Zeit- oder Berufssoldaten die militärisch wichtige Rolle.

Damit einher geht dass mehr und mehr militärisch inter­veniert wird, im Rahmen der NATO, der EU, der Verein­ten Nationen oder Ad-hoc-Koalitionen. So gut wie alle Armeen der Mitglieds- und Kandidatenländer der EU sind militärisch im Ausland engagiert: Bulgarien, Dänemark, Estland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Polen, Rumänien und die Tschechische Republik haben Truppen im Irak, alle EU-Länder mit Ausnahme von Malta und Zypern beteiligen sich am NATO-Einsatz in Afghanistan, und Belgien, Kroatien, Zypern, Frankreich, Mazedonien, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Irland, Italien, Luxemburg, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien und die Türkei beteiligen sich am UNO-Einsatz UNIFIL im Libanon. Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig. Mit zunehmenden militärischem Engagement ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung – erkämpft in allen EU-Ländern zumindest für Wehrpflichtige in einem jahrzehn­telangen Kampf der KDV-Bewegungen ­– umso wichtiger. Auch wenn sich die Europäische Union offiziell zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung bekennt, so sieht die Praxis doch anders aus.

Das Ende der Wehrpflicht bedeutete in vielen Fällen auch das Ende des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, denn die meisten Länder erkannten und erkennen dieses Recht nur unvollständig und nur für Wehrpflichtige an. Lediglich Deutschland, die Niederlande und Großbritannien erken­nen an, dass sich Berufssoldat/innen zu Kriegsdienstver­wei­gerer/innen wandeln können. Doch auch in diesen Ländern gibt es in der Praxis zahlreiche Probleme.

Diese Broschüre gibt einen detaillierten Überblick über das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in den Ländern der Europäischen Union (einschließlich der EU-Kandidaten­länder), und soweit wie möglich auch über die Praxis. Es zeigt sich, dass es heutzutage mit diesem Recht in der Europäischen Union nicht mehr weit her ist. Die meisten Länder der EU sind weit davon entfernt, die bestehenden internationalen Standards – der Vereinten Nationen, der Europarates, oder des Europaparlamentes – zu erfüllen. Die parlamentarische Versammlung des Europarates forderte in einer Entschließung zu "Menschenrechten in den Streitkräften" vom 24. März 2006, dass Mitgliedstaaten: "in ihre Gesetzgebung das Recht einzuführen, sich zu jeder Zeit als Kriegsdienstverweigerer registrieren zu lassen, vor, während und nach der Ableistung des Wehrdienstes, sowie das Recht von Berufs­soldaten, die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu erhalten". Bereits die Empfehlung 1518 von 2001 empfahl den Mit­gliedern des Europarates das Recht auf KDV auch für Berufssoldat/innen anzuerkennen. Dieses Recht kann potentiell ein Hindernis bei den immer wilderen militä­rischen Abenteuern der Europäischen Union bilden. Es ist daher notwendig, dass die Friedens- und Antikriegs­bewegungen, und insbesondere die KDV-Bewegungen, sich nach der Abschaffung oder Aussetzung der Wehr­pflicht verstärkt für das Recht auf Kriegsdienstver­wei­gerung für Zeit- und Berufssoldat/innen einsetzen, und eine aktive Antirekrutierungs- und Soldat/inn/en-Arbeit betreiben. Dafür bietet diese Broschüre Hintergrund­informationen.

Tobias Pflüger, MdEP

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